News

1938–2025
*12. März 1938, Wizebsk (UdSSR, heute Belarus)
† 3. Juni 2025, Ashdod (Israel)
Valery Matwejewitsch Panov studierte an der Ballettschule in Leningrad [St. Petersburg] bei Agrippina Waganowa, wurde nach seinem Examen 1957 Mitglied des Maly-Balletts, dann Solist beim Kirow-Ballett, wo er von 1963 bis 1972 als einer der brillantesten Charaktertänzer seiner Generation bewundert wurde. Mit seinem intensiven Darstellungsstil und seiner Tanztechnik wurde er zu einem der wichtigsten Tänzer für die Entwicklung des sowjetischen Balletts in dieser Zeit. Mit Rollenkreationen trat er in Erscheinung u. a. in Konstantin Bojarskis Petruschka (1961), Das Mädchen und der Rowdy (1962), Nikolai Bojartschikows Die drei Musketiere (1964), Oleg Winogradows Gorjanka (1968), Konstantin Sergejews Hamlet (1970) und Kassatkina-Wassiljows Die Erschaffung der Welt (1971). Ihm wurde die Teilnahme an Auslandsgastspielen verwehrt, da der KGB seine Kontakte zu ausländischen Kollegen misstrauisch überwachte. Als er 1972 für sich und seine Frau, die Tänzerin Galina Ragoschina, schließlich um ein Ausreisevisum nach Israel nachsuchte, wurde er aus der Compagnie des Kirow-Balletts ausgeschlossen und zeitweise inhaftiert. Unter dem Druck internationaler Aufmerksamkeit wurde dem Künstlerpaar 1974 schließlich gestattet, das Land zu verlassen. Sodann unternahmen beide zahlreiche Gastauftritte bei Compagnien in der ganzen westlichen Welt.
Als Choreograph fand Valery Panov in Berlin eine neue künstlerische Heimat: Für das Ballett der Deutschen Oper Berlin choreographiert er 1977 Cinderella (Musik: Sergej Prokofjew), sodann Le Sacre du printemps (Musik: Igor Strawinsky). Die beiden Werke gingen im Sommer 1978 auf Tournee nach New York, überhaupt die erste Gastspielreise, die das Ballett der Deutschen Oper unternahm. Im Jahr darauf reiste das Ensemble mit diesen Werken auch nach Israel.
Als 1979 Panovs Choreographie Der Idiot nach dem Roman von Fjodor Dostojewski (Musik: eine Zusammenstellung aus Kompositionen von Dmitri Schostakowitsch) an der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt wurde, spendete das Publikum mehr als vierzig Minuten lang Applaus. Panov selbst tanzte die Rolle des verdorbenen Rogoschin, Rudolf Nurejew interpretierte den Fürsten Myschkin. Panov hatte damit Duette geschaffen, die in die Annalen der Ballettgeschichte eingehen sollten und teilweise unter Zeitgenossen bis heute Gesprächsstoff sind. Gleichermaßen überwältigend war der Erfolg seiner Kreation Krieg und Frieden (1981, Musik: Peter I. Tschaikowsky) für das Ballett der Deutschen Oper Berlin. In Berlin sollten die Kreationen des Balletts Riccardo W. (1983, Musik: Richard Wagner u.a.) und Liebestod (1989, Musik: Auszüge aus Wagners Tristan und Isolde) folgen.
Andernorts choreographierte er 1976 Heart oft he Mountain San Francisco Ballet), 1981 Petruschka und Scheherazade (Ballett der Wiener Staatsoper), 1983 The Three Sisters (Königlich Schwedische Ballett Stockholm) oder 1984 Hamlet (Norwegisches Nationalballett Oslo zu Musik von Dmitri Schostakowitsch). 1984 wurde Valery Panov zum Künstlerischen Leiter des Königlichen Balletts von Flandern Antwerpen ernannt. Von 1992 bis 1997 war er Ballettdirektor der Oper der Stadt Bonn. 1993 gründete er das Ashdod Art Centre in Israel, im Zentrum eine Balletttruppe, 1998 formierte er das Panov Ballet Theatre, ebenfalls im israelischen Ashdod.
Panov wurde 1969 mit dem Lenin-Preis ausgezeichnet, 1970 als Verdienter Künstler der RSFSR Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik. Acht amerikanische Städte machten ihn zu ihrem Ehrenbürger, darunter New York City und San Francisco. Seine Version von Le Sacre du printemps wurde 1979 mit dem Weltkritikerpreis ausgezeichnet, Der Idiot 1987 in der Türkei als beste Ballettproduktion mit einer Goldenen Medaille ausgezeichnet. Valery Panov hat 1978 in New York seine Autobiographie To Dance veröffentlicht, in deutscher Sprache 1981 als Ballett – mein Leben.
Das Staatsballett Berlin wird Valery Panov in ehrender Erinnerung bewahren in dem Bewusstsein, dass dieser große und kompromisslose Künstler die Berliner Ballettgeschichte mitgeschrieben hat. Er erreichte das Publikum, indem er den Erlebnissen persönlicher Unterdrückung einen zutiefst menschlichen Ausdruck verlieh, den viele seiner Zeitgenossen als ein bedrohliches Grundgefühl wahrnahmen und teilten.