Dr. Christiane Theobald

Dr. Christiane Theobald (*20. Dezember 1956 in Koblenz), ist Ballett-Dramaturgin und Kulturmanagerin. Sie leitet seit der Spielzeit 2020/2021 als Kommissarische Intendantin das Staatsballett Berlin, die mit 91 Tänzer:innen größte Ballett-Compagnie Deutschlands.

Aufgewachsen in Düsseldorf studierte sie Musikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (1977 – 1980) und an der Freien Universität Berlin (1980 - 1985). Begleitend zum Studium verlief eine Ballett Ausbildung, die sie in Berlin auf Modern Dance fokussierte. 1985 erlangte sie den Doktorgrad mit einer Dissertation über das Frühwerk des Komponisten Franz Schreker bei Prof. Dr. Rudolf Stephan.

Von 1987 bis 1993 war sie für jeweils drei Jahre unter der Leitung der Ballettdirektoren Gert Reinholm und Peter Schaufuss in der erstmalig in Leben gerufenen Position als Ballett-Dramaturgin für das Ballett der Deutschen Oper Berlin tätig und begleitete damit eine wirkungsstarke Ära der West-Berliner Tanzkultur.

1993 erfolgte in der Doppelfunktion als Ballettbetriebsdirektorin -dramaturgin ihr Wechsel an die Staatsoper Unter den Linden unter der Ballett-Direktion von Michael Denard (1993 – 1996) und folgend unter dem Intendanten der Staatsoper Georg Quander. Im Zuge der Gründung der Stiftung Oper in Berlin, 2004, wurde das Staatsballett Berlin als Zusammenschluss der zuvor den drei Opernhäusern Deutsche Oper Berlin, Staatsoper Unter den Linden und Komische Oper Berlin angeschlossenen Ballett-Ensembles als wirtschaftlich eigenständige Compagnie vollzogen. Christiane Theobald wurde an der Seite von Vladimir Malakhov zur Stellvertretenden Intendantin dieser Institution ernannt, eine Position, die ihr bis zur Spielzeit 2019/2020 auch unter den Intendanten Nacho Duato (2014 -2018), 2018 zunächst unter Johannes Öhman und sodann der Co-Intendanz Sasha Waltz/Johannes Öhman (2018-2020) oblag.

Damit erfuhr auch ihre Master-Thesis „Das Profit-Center geführte Ballett“ Umsetzung in die kulturpolitische Realität, mit der sie 2002 das berufsbegleitende Postgraduiertenstudium an der privaten Steinbeis-Hochschule-Berlin mit dem Master of Business Administration (MBA) abschloss und einen positiven Impuls für ein von den Opern künstlerisch und wirtschaftlich eigenständiges Ballett setzte.

In zahlreichen Kooperationen, verbindendem Networking und intensiver Lobbyarbeit knüpfte Christiane Theobald Kontakte und verwirklichte Projekte, die das Audience Development, die Weiterbildung im Tanz, die Gesundheitsprävention für Tänzer*innen (Tamed) aber auch die Verbesserung der Strukturen für den Tanz zum Inhalt hatten (BBTK, Dachverband Tanz Deutschland).

Basierend auf einer wissenschaftlichen Studie zur Auswirkung des Schlaf-Wach-Verhaltens auf die Verletzungsgefahr von Tänzer:innenwurde 2009 mit einer Gesundheitspartnerschaft zwischen dem Staatsballett Berlin und dem Interdisziplinärem Schlafmedizinischem Zentrum der Charité Universitätsmedizin unter Leitung von Prof. Dr. Ingo Fietze ein Ruheraum für die Tänzer:innen nach modernsten Erkenntnissen der Schlafmedizin ausgestattet, dessen Nutzung der Verletzungsgefahr durch kurzzeitiges Powernapping entgegenwirken sollte - ein bundesweit singuläres Pilotprojekt.

Diese Kooperation erfuhr 2010/2011 unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, als interdisziplinäres Exzellenzprojekt preVance (betriebliche Prävention und Dance/Tanz) in der Zusammenarbeit mit den „Leuchttürmen“ Charité Universitätsmedizin und dem Staatsballett Berlin Ausweitung. Bis heute besteht ein enger Austausch zwischen dem Health Departement des Staatsballetts Berlin und der Charité. Die Ergebnisse finden Eingang in die gesundheitliche Prävention und medizinische Versorgung des Ensembles.

Die Tradierung und Wissensvermittlung der Tanzhistorie hat Christiane Theobald stets als ihre genuine Aufgabe verstanden: in den Jahren 1987 – 1993 als Dozentin für Tanzgeschichte an der Lessing-Hochschule zu Berlin und als Lehrbeauftragte für Ballett und Tanz am Institut für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin 1991 - 1996 und für Tanz-Management an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt/Main, 2011 – 2013.

Sie rief erfolgreiche Veranstaltungsformate ins Leben, die sich direkt an das Publikum richteten und tanzwissenschaftliche Inhalte nachhaltig vermittelten. 1993 entstand der Jour Fixe in Zusammenarbeit mit der Theatergemeinde Berlin. Anklingend an die Berliner Salonkultur, machte Christiane Theobald im Apollo-Saal der Staatsoper Unter den Linden in Begegnungen und Gesprächen mit Tänzer*innen, Choreographen, Dirigenten, mit Kostümdirektoren, Masken- und Bühnenbildnern Ballett erlebbar. Persönlichkeiten wie Patrice Bart, Paul Connelly, Robert Reimer, Martin Schläpfer, Uwe Scholz, Polina Semionova, Vladimir Malakhov u.v.a. m. trafen dort auf ein interessiertes Publikum – mit dem Umzug des Staatsballetts Berlin aufgrund der Renovierung der Staatsoper Unter den Linden 2011 erfuhr der Jour Fixe seine Fortführung an der Deutschen Oper Berlin. Parallel dazu widmete sich das Format APROPOS BALLETT der Geschichte des Tanzes.

Ab 2011 initiierte Christiane Theobald in Kooperation mit dem Seminar für Theater- und Tanzwissenschaft der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Gabriele Brandstetter die Ballett-Universität. Diese dual angelegte öffentliche Veranstaltungsreihe vermittelte in monatlichen Vorträgen renommierter Tanzwissenschaftler an Ballett-Interessierte Wissenswertes zur Praxis und Geschichte des Tanzes. Zudem erarbeiteten und moderierten Studierende der Tanzwissenschaft der FU Berlin Einführungen vor jeder Vorstellung. Dadurch sollte der Austausch zwischen der akademischen Tanzwissenschaft und der Praxis des Balletts mit Blickrichtung auf das Publikum verknüpfend gefördert werden.

Alle zwei Jahre fand im Zeitraum 2006 – 2012 der International Dance Summit im Apollo-Saal der Staatsoper Unter den Linden statt, den Christiane Theobald inhaltlich als Plattform des intensiven Austausches zu Themen der Aus-und Weiterbildung im Tanz, zu Fragestellungen von Tanz- und Sportmedizin und Gesundheitsthemen gestaltete – mit geöffneten Türen für ein nahes Kennenlernen des Arbeitsalltags im Ensemble. Begleitet wurden diese Tanzgipfel von Gast-Einladungen, die jährlich an international renommierte Tanzensembles ausgesprochen wurden: 2006 Tokyo Ballet, 2007 Conpañia National de España, 2014 Béjart Ballet Lausanne, 2015 KYLWORKS, 2016 Norwegian National Ballet, 2017 Ballett am Rhein, 2018 Ballets de Monte-Carlo, 2019 Bayerisches Junior Ballett München, 2020 Weld Company.

Als regelrechte Erfolgsgeschichte erwies sich die Entwicklung des 2007 gegründeten Vereins Tanz ist KLASSE! e.V. (TiK!), dem Education Programm des Staatsballetts Berlin, durch Christiane Theobald, die damit auf den öffentlichen Bildungsauftrag an das Staatsballett reagierte und bis heute als Geschäftsführerin firmiert. TiK! baut integrativ Brücken zwischen Menschen und Kulturen. Mehr als 45.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben bis 2020an dem umfangreichen Angebot von Tanz ist KLASSE! teilgenommen, dass von ausgebildeten Tanzpädagog:innen betreut wird. In nachhaltigen Schulkooperationen, in Workshops und Kursen werden nicht nur Berührungsängste mit dem Tanz abgebaut, sondern auch ganz neue, unentdeckte Leidenschaften geweckt.

Diese vielfältigen Projekte wurden tragend vom Freundeskreis des Staatsballetts Berlin unterstützt, dem Christiane Theobald seit seiner Gründung 2004 als Stellvertretende Vorsitzende vorsteht.

Dem ursprünglichen Gründungsmotto des Staatsballetts Berlin „Die Tradition bewahren, die Gegenwart sichtbar machen und die Zukunft fördern“ fühlt sich Christiane Theobald in ihrer neuen Position nach wie vor verpflichtet – ein Gedanke, der sich aktuell in der pluralen Zusammensetzung des Ensembles spiegelt. In einer Phase der Transition, der künstlerisch, strukturellen und gesellschaftlichen Herausforderungen und Veränderungsprozesse unserer Zeit, versteht sie die Stärkung des „Ensemblegeistes“ als eine ihrer zentralen Aufgaben, stets getragen von dem Wunsch, der Kunstform des Tanzes eine moderne, lebbare Zukunft aufzuzeigen.

Stand: September 2020